Geld regiert die Welt

Kongress 14.10.2017 in Hannover

 

Grußwort

Dr. h. c. Wolfgang Thierse,
Bundestagspräsident a. D.

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Grußwort

Stefan Schostok,
Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover

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Medienpartner

„Humankapital, ehedem als Unwort des Jahres gewählt, steht für eine entmenschlichte Wirtschaft, die den Menschen zu nur noch ökonomisch interessanten Größen, zu Renditequellen degradiert. Der Mensch kann seine Arbeitskraft leider nicht von sich loslösen, verkaufen, quasi getrennt veräußern und selbst zu Hause bleiben. Sie ist ein Teil von ihm, die Arbeitskraft ist ein Ausdruck der Fähigkeiten und Fertigkeiten des Menschen. Muss er seine Arbeitskraft verkaufen, muss er sich selber insoweit mitverkaufen – zu den Bedingungen und zu dem Preis, die am Markt herrschen. Der Preis ist das „Arbeitsentgelt", also Lohn oder Gehalt. Nach den Marktgesetzen ist der Preis umso niedriger, je mehr das Angebot an Arbeitsleistungen die Nachfrage übersteigt. In der immer weiter fortschreitenden Automatisierung bildet dieser Umstand die Regel und dies wird sich, bis auf wenige Ausnahmen, im derzeitigen Wirtschaftssystem nicht ändern, sondern weiter zunehmen.

"Der Mensch wird immer mehr zur Ware"

Aus Sorge um den notwendigen Lebensunterhalt für sich und ihre Familien sind Menschen zunehmend gezwungen, sich als Ware behandeln zu lassen und sich mit ihrer Arbeitskraft zu immer unwürdigeren Bedingungen und Löhnen zum Verkauf anzubieten. Immer mehr Menschen müssen sich mit einem „Preis", also einem Arbeitsentgelt begnügen, das nahe an oder unterhalb der Armutsgrenze liegt und vielen trotz einer Vollzeitarbeit zum Lebensunterhalt nicht ausreicht, so dass sie entweder nachts noch weitere Arbeit annehmen, oder zusätzliche staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen müssen.

„Der Mensch wird mehr und mehr zur Ware. In Indien bekommt man eine Niere für 300 Euro, in Afrika ein Adoptivkind für 20.000 Euro und in Russland oder in Thailand eine Frau für 800 Euro. Der Mensch - unbezahlbar? Die Praxis beweist das Gegenteil. Und auch abseits von Menschen- und Organhandel werden Leben monetarisiert. Hierzulande wird beispielsweise ziemlich exakt kalkuliert, ob sich das Aufstellen einer Verkehrsampel lohnt, wenn das Leben eines Fußgängers mit 1,2 Millionen Euro angesetzt wird. Oder ob sich die Hüft-OP noch rechnet, wenn der Patient schon 75 Jahre alt ist. Oder ob einem Menschen mit 65 noch ein Kredit gewährt werden kann, wenn eine zehnjährige Laufzeit den Erlebensfall fraglich werden lässt. Auch wenn sich der Wert eines Menschen eigentlich nicht in Geld ausdrücken lässt, wird es doch getan. Jeden Tag. Zunehmend. Wer dabei verliert, sind wir selbst." (Auszüge aus Calumedium 3, D. Jarzombek)

Geld ist also nicht neutral, sondern wirkt sich unmittelbar auf uns selbst (Selbstwertgefühl), unsere Beziehungen und unsere gesellschaftliche Teilhabe aus. Die alles durchdringende Ökonomisierung macht auch vor Familie, Liebe und Freundschaften nicht halt. Wer investiert wie viel in wen? Kann die betreffende Person sich das leisten?

Wie finden wir einen Umgang mit Geld, der unsere Souveränität und Authentizität nicht unterminiert, sondern fördert? Wie können wir uns vom Primat der Ökonomie befreien?

Calumed möchte zur Bewusstseinsbildung über die skizzierten, teilweise noch verborgenen Tendenzen beitragen, diesen wehren und auf die Frage nach der Bedeutung dessen, was wir ein menschenwürdiges Leben nennen und wie wir es gestalten und fördern, neue Antworten finden.

Themen

"Immer mehr, immer schneller, immer größer!" Der Wachstumswahn von 1968 per Dekret verordnet, wurde 2008 durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der Merkelregierung noch forciert. Der Kapitalismus muss so sein: Er ist eine Schuldenwirtschaft, die sich nur durch Ableistung von Zins und Zinseszins erhält und in dem in Wechselseitiger Konkurenz die Arbeitnehmer und die Natur von den Unternehmern ebenso gnadenlos ausgebeutet werden wie diese von den Banken. Die sogenannten Externa dieser nur scheinbar freien und kostengünstigen Wirtschaftsform tragen in jedem Falle die Bürger - Bankencrash, Atomrückbau, "Klimarettung", dieser Betrug ... - das sind nicht die Krisen des Kapitalismus, das ist sein Wesen. Das kann jeder sehen. Die Mittel, es zu ändern, sind logisch gleichermaßen einsehbar wie unter den bestehenden Machtstrukturen des Staatskapitalismus schwer zu ändern.

Geist und Geld scheinen sich zu widersprechen. Interessant ist dabei ein oft übersehener Tatbestand: Geld fiel nicht vom Himmel, sondern wurde von Menschen erdacht. Es hat insofern einen geistigen Ursprung: Denn ohne die Vorstellung von Geld und der Einsicht, dass Geld als Mittel zum Zweck den Handelsverkehr in der Gesellschaft notwendig ist, wäre Geld nicht „erfunden" worden. Wenn wir weiter davon ausgehen, dass alles Materielle einen immateriellen sprich: geistigen Ursprung hat, stellt sich die spannende Frage: Wenn der Geist denkt und das Geld lenkt, dann könnte mittels des denkenden „Geistes" das Geld auch gelenkt werden, statt ein Eigenleben zu führen.
Warum dies noch nicht geschieht und welche Lenkungen möglich sind, ist Thema dieses Vortrages.

Von Theodor W. Adorno stammt der berühmte Satz: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen." Wendet man diesen Satz auf die Zeiten der Geldpolitik an, in denen wir uns bewegen, könnte man ihn rasch so lesen: man kann tun und lassen, was man will, ein richtiges Leben ist nicht möglich. Denn gleichgültig, was man auch tut oder unterlässt, Geld hat immer das letzte Wort.
Mit einer solchen Lesart wird man allerdings Adorno nicht gerecht. Ganz im Gegenteil: Adorno will das Gespür für das richtige Leben wach halten, er will den Sinn für dieses im Auge behalten und auf es aufmerksam machen. Denn es gibt für ihn eben auch den „Traum eines Daseins ohne Schande" und es gibt - mit Ernst Bloch - gesagt, „Träume eines besseren Lebens". Solche Träume sind keine bloßen Ausgeburten einer ungezügelten Phantasie, entspringen sie doch realen Möglichkeiten. Sie können also realisiert werden, wenn man sie als in der Realität angelegte Möglichkeiten erkennt, sie erfasst und zu verwirklichen versucht.
Dem Menschen in Zeiten der Geldpolitik droht demnach zwar der Ausverkauf, es muss aber Aufgabe einer Theorie sein, eine Praxis anders lesen zu können, um dergestalt zu ihrer Veränderung beitragen zu können.

Geld regiert die Welt. Selten zuvor war dieser Satz so zutreffend wie in dieser Zeit. Trotz Finanzkrise wird gezockt wie eh und je. In jeder Millisekunde verkauft die Welt bis zu 100.000 Wertpapieren. Längst beherrschen große Finanzfonds und ihre Manager die Weltwirtschaft. Und bei alledem geht es nicht um das Wohl der Menschen, schon gar nicht um das Wohl der Armen, sondern um die höchst mögliche Rendite für die Kapitaleigner.
All dies macht deutlich: Wir brauchen einen anderen Umgang mit Geld: durch Regierungen, durch die Banken, durch die Sparer. Das gute ist: Es gibt gute Vorschläge für politische Spielregeln, und es gibt heute schon Banken, Investoren und Sparer, mit ihrem Geld zeigen: Geld kann die Welt auch anders regieren.

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„Was ist mit dir los, humanistisches Europa, du Verfechterin der Menschenrechte, der Demokratie und der Freiheit?" Will man die Frage von Papst Franziskus beantworten, stößt man unwillkürlich auf gesellschaftliche wie politische Zustände, die schlichtweg nur noch schwer zu verkraften sind. Da ist der von zu vielen Politikern und Politikerinnen angetriebene nationalistisch-rassistische Tsunami, der alle ethischen und humanistischen Dämme überschwemmt, die sozialpolitische Verantwortungslosigkeit in Teilen der wirtschaftlichen und politischen Elite. Und von wegen europäischer Wertegemeinschaft. Sie zeichnet sich inzwischen durch dramatische soziale Ungerechtigkeit, rigide Abschottung und schon pathogene nationalistische Hybris aus.
Doch: Ein feiges Wegducken oder Resignieren, es einfach hinzunehmen, das wäre eine Niederlage im fortwährenden Kampf für eine soziale und humane Gesellschaft, den Kernbestand jeder liberalen Demokratie.

Es gibt eine Alternative zu Kapitalismus und Planwirtschaft. Die Gemeinwohl-Ökonomie baut nicht auf Gewinnstreben und Konkurrenz, sondern auf Gemeinwohl-Streben und Kooperation – denselben humanen Grundwerten, die unsere zwischenmenschlichen Beziehungen gelingen lassen. Gewinn ist nur noch Mittel, nicht mehr Zweck der unternehmerischen Tätigkeit. Die Gemeinwohlbilanz wird zur Hauptbilanz: Je sozial verantwortlicher, ökologisch nachhaltiger, demokratischer und solidarischer sich Unternehmen verhalten, desto mehr Vorteile – von niedrigeren Steuern, Zöllen und Zinsen bis zum Vorrang beim öffentlichem Einkauf – erhalten sie. Die Systemdynamik belohnt endlich die richtigen Verhaltensweisen: Ehrlichkeit, Empathie, Kooperation, Großzügigkeit und Solidarität. In der Gemeinwohl-Ökonomie stimmen die Werte unserer Alltagsbeziehungen mit den Werten der Wirtschaft überein.

Vorträge zum Nachhören

Das goldene Kalb ‚Markt' - Geld als Gewalt- und Herrschaftsinstrument
Dr. Eugen Drewermann

„Geist denkt, Geld lenkt." Ein Widerspruch und eine Herausforderung
Dr. Barbara Strohschein

Ausverkauf des Menschen? Philosophische Anmerkungen in Zeiten der Geldpolitik
Prof. Dr. Karen Joisten

Wer regiert das Geld wozu?
Dr. Wolfgang Kessler
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Gemeinwohl-Ökonomie – eine Utopie
Christian Felber
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Referenten

(* 20. Juni 1940 in Bergkamen) ist ein deutscher Theologe (früher katholisch), suspendierter Priester, Psychoanalytiker, Schriftsteller und ein bekannter Kirchenkritiker. Er ist ein wichtiger Vertreter der tiefenpsychologischen Exegese.

Drewermann stammt aus einer gemischtkonfessionellen Bergmannsfamilie (Vater evangelisch, Mutter katholisch). Von 1960 bis 1965 studierte er Philosophie in Münster und Katholische Theologie in Paderborn. 1966 wurde er zum Priester geweiht und arbeitete als Studentenseelsorger und ab 1974 als Subsidiar in der Gemeinde St. Georg in Paderborn. Ab 1968 ließ er sich in Göttingen in Neopsychoanalyse ausbilden und habilitierte sich 1978 in katholischer Theologie. Ab 1979 hielt er als Privatdozent Vorlesungen an der theologischen Fakultät Paderborn. Am 8. Oktober 1991 entzog ihm Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt (1926–2002) die katholische Lehrbefugnis und im Januar 1992 die Predigtbefugnis. Im März 1992 folgte die Suspension vom Priesteramt. Ursache waren strittige Ansichten Drewermanns in Fragen der Moraltheologie und der Bibelauslegung. Drewermann ist als Schriftsteller, Redner, Psychotherapeut und Seelsorger sowie als Lehrbeauftragter tätig. Seine inhaltlichen Ansätze wie rhetorische Fähigkeiten haben ihn zu einem viel gefragten Redner und Kommentator gemacht.

Auszeichnungen

  • 1992 Herbert-Haag-Preis
  • 1994 Urania-Medaille
  • 2000 Integrationspreis der gemeinnützigen Stiftung Apfelbaum (Köln)
  • 2007 Erich-Fromm-Preis zusammen mit Konstantin Wecker
  • 2011 Internationaler Albert-Schweitzer-Preis zusammen mit Raphaela und Dr. Rolf Maibach

Dr. Barbara Strohschein ist Philosophin und Expertin für Ethik und Werte-Fragen. Sie ist tätig als Beraterin in ihrer philosophischen Praxis für Werte, ist Autorin und Vortragende. Sie lebt in Berlin, berät Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik. In ihren Rundfunkessays und Blogbeiträgen befasst sie sich mit aktuellen Zeitthemen.

In ihrem letzten Buch „Die gekränkte Gesellschaft. Das Leiden an Entwertung und das Glück durch Anerkennung" (München 2015) setzt sie sich mit Werten und Entwertungen und den daraus folgenden individuellen und politischen Auswirkungen exemplarisch auseinander.

Prof. Dr. Karen Joisten ist Professorin für Philosophie mit Schwerpunkten im Bereich der theoretischen und praktischen Philosophie.

Wichtige Veröffentlichungen

  • Philosophie der Heimat – Heimat der Philosophie. Berlin 2003.
  • Aufbruch. Ein Weg in die Philosophie. Berlin 2007.
  • Narrative Ethik. Das Gute und das Böse erzählen. Hg. v. Karen Joisten. Berlin 2007. (Sonderband 17 der Deutschen Zeitschrift für Philosophie)
  • Philosophische Hermeneutik. Berlin 2009. (= Reihe Akademie Studienbücher)
  • Wilhelm Schapp. Auf dem Weg einer Philosophie der Geschichten. Teilband I. (= Schriften aus dem Nachlass) Hg. v. Karen Joisten, Jan Schapp und Nicole Thiemer. Freiburg im Br. 2016.

Dr. Wolfgang Kessler, Wirtschaftswissenschaftler (früher Internationaler Währungsfonds), viele Jahre freier Wirtschaftspublizist und heute Chefredakteur des christlichen Magazins Publik-Forum, beschreibt, wie die Finanzwelt in diese Krise geraten konnte und welche Wege aus diesem Schlamassel herausführen – in leicht verständlicher Sprache.

 

 

 

 

 

Jürgen Roth, 1945 geboren, Ausbildung als Speditionskaufmann, Direktionsassistent. 1967 Vorsitzender der Jungen Europäischen Föderalisten in Frankfurt am Main, 1969 einjähriger Aufenthalt in der Türkei. Seitdem Journalist und Schriftsteller in Frankfurt am Main.

Thematische Schwerpunkte: politische Korruption und internationale wie nationale organisierte Kriminalität und Wirtschaftskriminalität insbesondere im Hinblick auf Osteuropa.

Vorträge unter anderem bei Polizeiakademie Hiltrup, Polizeifachhochschulen, Katholische Akademie Trier, Internationale Polizeiassociation (IPA), Bundeszentrale für politische Bildung.

Weitere Informationen

Jürgen Roth: www.juergen-roth.com

Univ.-Lektor Mag. Christian Felber, ist gefragter Referent im In- und Ausland, vielfacher Buchautor und freier Tänzer. Der 1972 geborene Salzburger studierte Spanisch, Psychologie, Soziologie und Politikwissenschaft in Madrid und Wien, wo er heute lebt. Regelmäßige Kommentare in zahlreichen österreichischen und internationalen Medien. Buchveröffentlichungen: „50 Vorschläge für eine gerechtere Welt. Gegen Konzernmacht und Kapitalismus" (Deuticke 2006, 8. Auflage); „Neue Werte für die Wirtschaft. Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalismus" (Deuticke 2008, 3. Auflage); "Kooperation statt Konkurrenz. 10 Schritte aus der Krise" (Deuticke 2009); „Gemeinwohl-Ökonomie" (Deuticke 2010, zweite Neuausgabe 2014, internationale Gesamtauflage 70.000 Stück) Der Titel „Geld. Die neuen Spielregeln" wurde als Wirtschaftsbuch des Jahres 2014 ausgezeichnet. Seit 2008 Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Er initiierte den Aufbau der „Gemeinwohl-Ökonomie" und des Projekts „Bank für Gemeinwohl".

Weitere Informationen

Christian Felber: www.christian-felber.at
Gemeinwohl-Ökonomie: www.ecogood.org
Projekt Bank für Gemeinwohl: www.mitgruenden.at

Mensch werden. Mensch bleiben.