Alexander

13.02.2022  |  Humans by Calumed

Mit 6 Jahren erinnere ich einen der sonntäglichen Gottesdienstbesuche: Das Sonnenlicht fiel durch das bunte Kirchenfenster und mit einem Mal hatte ich das Gefühl, in diesem Raum aufzusteigen und auf die Menschen herunterzuschauen. Heute weiß ich, das war eine out-of-body-Erfahrung. Mein erster Gedanke: „Ach, das ist ja interessant! Wie in einem Heißluftballon schaue ich herunter auf die immer kleiner werdenden Menschen und fühle mich behütet." Seitdem gab es immer wieder ein Wissen und ein Gefühl davon, dass es mehr gibt auf dieser Welt. Diese Zugänge zu „anderen Welten" verblassten im Älterwerden und traten nicht mehr so oft in Erscheinung. Ich glaube an den starken Einfluss solcher Erfahrungen auf das Verhältnis zu den Menschen und zu allem was ist und was möglich sein kann.

Als geburtenstarker Jahrgang konnte ich meinen Berufswunsch nicht verwirklichen, Tischler zu werden. So wurde ich Möbelverkäufer. Auch wenn die Ausbildung sehr abwechslungsreich war und ich gut verkaufen konnte, sah mein Lebensweg etwas anderes für mich vor. Interessant war der gute Zugang zu den Menschen. Zum Beispiel kam mal eine ältere Frau, sehr unscheinbar, und wollte nur eine Fußbank kaufen. Für kleines Geld nahm sie die Bank mit und kurz danach kam die gesamte Familie und hat komplette Wohnungseinrichtungen gekauft mit der Bedingung, dass ich sie bediene. Es ging am Ende gar nicht um das „klassische Verkaufen", sondern um die zwischenmenschliche Beziehung.

Nach der Ausbildung zog ich nach Berlin und besuchte die Abendschule. Durch Zufall wurde ich über einen Freund auf einen Aushilfsjob als Nachtbereitschaft bei der Lebenshilfe aufmerksam, die sich in der Betreuung und Assistenz von Menschen mit mentalen Einschränkungen engagiert. Nach kurzer Zeit stellte sich das Gefühl von Beruf aus Berufung ein und ich wechselte in die Tagesbetreuung. Hier bin ich seit nunmehr 32 Jahren. Vor 5 Jahren absolvierte ich die Ausbildung zum Erzieher. Vielleicht werde ich im Ruhestand Soziale Arbeit, Psychologie oder Soziologie studieren. Die Liebe zu den Menschen und geliebt zu werden ist in diesem Beruf stark spürbar. Herz-Energie, so nenne ich das, die in diesem Moment fließt. Es ist ein sehr schönes Gefühl, wenn diese Herz-Energie als solche für mich erkennbar wird, es ist die Übersetzung von Glück.

Was macht einen Menschen menschlich? Ich finde schon, dass die Welt, das Universum, das alles letztendlich aus dem All-Einen kommt. Alles hat den gleichen Ursprung. Und damit wird es schwierig, die Frage zu beantworten. So habe ich viele Tiere erlebt, die sich sehr „menschlich" verhalten. Menschlich ist alles, was sich gegenseitig umsorgt und in Liebe zueinander aufgeht.

Mensch werden. Mensch bleiben.